lost places fotografieren

In diesem Artikel findest du Tipps und Hilfestellungen zum Fotografieren von Lost Places. Die Tipps basieren wie immer auf meiner persönlichen Erfahrung und bieten dir hoffentlich eine Hilfestellung beim sammeln deiner eigenen Erfahrung.

Vorbereitung und Grundsätzliches zum Lost Places fotografieren

Bevor es los geht habe ich ein paar theoretische Punkte und Fragestellungen zusammen gefasst. Bei geführten Fototouren geraten viele Fotografen unter Zeitdruck. Deshalb ist es sinnvoll, sich im Vorfeld darüber Gedanken zu machen, was vor Ort benötigt wird und welche Art von Fotoaufnahmen gemacht werden sollen.

Blitz vs. Langzeitaufnahmen

Lost Places sind verlassene, verfallene Ort und haben in der Regel keine Elektrizität. Auf einigen Touren habe ich erlebt, dass grade Einsteiger in dieser Situation zum integrierten Kamerablitz greifen wollen. Das hilft bei den Räumen in der Regel nicht weiter, da der integrierte Kamerablitz grundsätzlich relativ schlecht positioniert ist. Dazu ist er auch nicht in der Lage, einen ganzen Raum angenehm auszuleuchten.

Für Shootingaufnahmen oder Studiofotografie mit Studioblitzen würde ich empfehlen, vorher beim Veranstalter nachzufragen, ob ggf. Strom vorhanden ist – Ansonsten muss man sich vermutlich autark selbst versorgen 😉

Blitz verwenden

Bis jetzt habe ich noch niemanden auf einer Lost Places Tour mit Studioblitzen gesehen. Ich kann mir aber vorstellen, dass man damit richtig tolle Bilder inszenieren kann. Das ist auch der einzige Anwendungsfall, den ich mit Blitzen auf einer Lost Places Tour in Verbindung bringen würde. Dem würde ich aber eine grundlegende Erfahrung und einen Sicheren Umgang mit Blitzen voraussetzen. Ich vermute, dass die meisten Fotografen für inszenierte Shootings nicht an einer buchbaren Tour teilnehmen, sondern gesonderte Termine mit dem Veranstalter ausmachen. Die Blitze würden auf einer Tour mit mehren Fotografen zu sehr stören. Dies gilt besonders dann, wenn man sich nicht frei auf dem Gelände bewegen darf.

Alternativ ist es immer gut bei Langzeitbelichtungen eine Taschenlampe dabei zu haben. Mit der Taschenlampe kannst du zu dunkle Motive im Zweifel ausleuchten, wenn grade kein andere Fotograf das Motiv belichtet.

Keinen Blitz verwenden

Bei geführten Fotoworkshops oder Touren mit mehreren Fotografen würde ich grundsätzlich vom Blitz abraten, da das Blitzlicht ebenfalls deren Fotos beeinflusst. Zudem werden bei buchbaren Touren andere Fotografen dabei sein, die Langzeitbelichtungen machen und schnell verärgert sind, wenn jemand mit Blitzlicht die Aufnahme zerstört. Denn das Blitzlicht beeinflusst alle anderen Bilder, die grade ausgelöst werden. Damit machst du dir relativ sicher keine Freunde auf der Tour.

„Das Bild ist sonst aber zu dunkel“ – Nein, die Menge an Licht, die du einfängst ist nur zu wenig :). Mit Langzeitbelichtungen bekommst du das Bild passend belichtet, ohne dass das Foto ausgebrannte Bildbereiche enthält.

Was brauche ich für eine Langzeitbelichtung?

Das brauche ich beim Lost Places Fotografieren

Stativ

Für Langzeitaufnahmen wird grundsätzlich ein Stativ benötig, alles andere führt zu verwackelten Bildern und Frust. Qualitativ macht sich der Preis des Stativ meist bemerkbar, aber für den Anfang hilft auch ein günstiges Stativ weiter.

Kamera

Hier gibt es wenig Vorraussetzungen – die Handykamera sollte es aber nicht unbedingt sein 😉 Grundsätzlich sollte die Kamera RAW-Aufnahmen machen und bis zu 30s belichten können. Bei älteren Modellen ist ein HDR-Aufnahme-Modus ein Vorteil, um einen großen Bereich der Dynamik einzufangen. Das klappt aber sonst auch mit manuellen Aufnahmen, die man nachher zu einem HDR zusammen setzt. Grade zum Einstieg tut es auch eine 10 Jahre alte DSLR. Die Sensoren sind teilweise noch die gleichen, wie in moderneren Modellen. Im Grunde können die älteren Modelle auch vieles, was neuere Kameras können. Alles in allem ist eher das Objektiv entscheidener bei der Aufnahmequalität als die Kamera.

Weitwinkelobjektiv

Aus dem Bauch raus würde ich sagen, dass eine Brennweite zwischen 14-30mm gut geeignet ist. Das hängt aber auch davon ab, was für Fotos du machen möchtest. Ich fotografiere in der Regel mit einem 14mm Objektiv oder mit dem Canon EFS Kit-Objektiv.

Taschenlampe

Auch wenn sie nicht immer benötigt wird, ist es gut, eine Taschenlampe dabei zu haben. Einerseits zum Ausleuchten und orientieren in dunklen Räumen. Andererseits ist sie hilfreich zum Ausleuchten von Bildabschnitten bei Langzeitbelichtungen.

Weiteres

Ein paar Dinge können je nachdem, wie du fotografierst hilfreich sein:

  • Weißabgleich-Karten oder eine Möglichkeit dazu
  • Fernauslöser für Belichtungszeiten über 30 Sekunden
  • Streulichtblende bei lichtdurchfluteten Räumen und Hallen
  • Filter (Pol-Filter – schön bei Spiegelungen und nassem Boden, ND-Filter)

Vor Ort

Kent School Fototour vor Ort

Auch vor Ort gibt es beim Lost Places Fotografieren ein paar Dinge zu beachten, auch wenn die meisten (mich eingeschlossen) am Liebsten direkt losfotografieren wollen.

Weissabgleich

Für einen möglichst natürlichen Weissabgleich empfehlen sich Karten, die gibt es online zu kaufen und sind nicht allzu teuer. Professionelle Fototaschen sind in der Regel grau von innen, damit der Fotograf diese für einen Weissabgleich verwenden kann. Ansonsten hilft auch ein weißes Blatt oder etwas neutral graues.

Wenn ihr ein Foto für den Weissabgleich gemacht habt, könnt ihr das Foto bei den meisten Kameras unter „Custom“-Weissabgleich referenzieren. Von da an haben alle Fotos die ihr macht den Weissabgleich des Referenzfotos. Es ist nicht zwingend nötig, das aktuelle Weißabgleichfoto als Referenz zu hinterlegen. Wichtig ist nur, dass ihr unbedingt den Weißabgleichsmodus auf „custom“ stellt, damit eure Fotoreihe den gleichen Weissabgleich besitzt. Denn das ist später nur schwer anzugleichen. Den Weissabgleich könnt ihr auch im Nachhinein in Lightroom oder dem Bearbeitungstool deiner Wahl vom Referenzfoto auf die Fotos übertragen.

Kameraeinstellungen und Aufnahme zum Lost Places fotografieren

Bei einer Langzeitaufnahme ist es wichtig, dass das Stativ sicher und fest auf dem Boden steht. Schon die kleinste Erschütterung kann zur minimaler Unschärfe führen. Grade in Lost Places Gebäuden liegt oft viel Zeug auf dem Boden oder der Boden ist uneben. Suche einen festen Standpunkt für dein Stativ. Besonders bei Fototouren kann es schnell passieren, dass der alte Dielenboden bei Tritten ein wenig nachgibt. Wenn während deiner Belichtungszeit ein paar Leute auf und ab laufen, bewegt sich das Stativ minimal. Im blödesten Fall endet das jedoch in leichten Verwackelungen auf dem Bild – also besser direkt einen möglichst unnachgiebigen Untergrund suchen.

Die Aufnahme

Den ISO-Wert kann man bei Langzeitbelichtungen in der Regel so niedrig wie möglich stellen, da die Belichtungszeit beliebig gewählt werden kann.

Grundsätzlich kann es sich grade bei alten Kameras lohnen, HDR-Aufnahmen zu machen – nicht um die Struktur später noch höher regeln zu können (just don’t do it) – sondern um einen größeren Dynamikbereich einzufangen. Dieser ist grade bei älteren Kameras nicht so ausgeprägt ist, wie bei moderneren Modellen.

Zur Einstellung der Belichtungszeit kann ein Belichtungsmesser mitgenommen oder alternativ der integrierten Belichtungsmesser der Kamera verwendet werden. Standardmäßig ist (zumindest bei meiner Kamera) der integrierte Belichtungsmesser so eingestellt, dass das fokussierte Motiv, korrekt belichtet wird. Es gibt aber auch weitere Einstellungsmöglichkeiten. Im Nachhinein kann man sich auch noch am Histogramm orientieren und schauen, wie verteilt die Belichtung ist.

Ansonsten gilt – werd kreativ! 🙂 Besonders in dunkleren Räumen kannst du mit Taschenlampen oder anderen leuchtenden Gadgets tolle Effekte erzeugen. Sollte dein Motiv im Gesamtbild zu dunkel wirken kannst du es ebenfalls während der Belichtung ein wenig mit der Taschenlampe anstrahlen und somit das Motiv auf deinem Bild hervorheben.

Motiv und Komposition beim Lost Places Fotografieren

Da wir als Zeugen der Zeit nicht in den Verfall der Lost Places eingreifen wollen und alles an Ort und Stelle bleiben soll, würde ich dazu raten, Gegenstände etc. nicht zu verschieben. Im Zweifel lieber etwas mit dem Stativ rüberrutschen. Zur Orientierung für die Komposition bieten die meisten Kameras eine Gitternetzansicht (grob basierend auf dem goldenen Schnitt) an, die ich persönlich auch gerne benutze. Bezüglich der Komposition wird zudem oft gesagt, dass es „gut“ ist, wenn z.B. eine Diagonale im Bild entsteht, die der Blickführung dient. Weitere interessante Kompositionshilfen bietet Lightroom an:

Kompositionsinspirationen beim Fotografieren

Ich klicke diese immer gerne durch, finde allerdings nur 2-3 davon wirklich hilfreich und gutausschauend. Ansonsten gilt auch hier: einfach ausprobieren oder auch mal schauen, was andere Fotografen auf der Tour machen.

Blickführung

Was will ich vermitteln? Es muss nicht immer die große Botschaft sein. Ich für meinen Teil finde, dass sich zum Beispiel leere Stühle oder Betten in runtergekommenen Gebäuden sehr gut nutzen lassen, um eine leicht schaurige Stimmung im Foto zu erzeugen. Wenn der Stuhl offen zum Betrachter und zum Bild gewendet ist, wird durch die Zugewandert und die verlassene Umgebung das Gefühl vermittelt, dass doch noch irgendetwas anwesend ist. Wichtig ist, dass der Stuhl oder das Bett dem Betrachter zugewandt sind. Das ist dann der Fall, wenn neben der offenen Seite des Stuhls mehr Platz ist als auf der geschlossenen Seite, wie auf den Ausschnitten unten gezeigt. Ein Bild, auf dem mir das (wie ich finde) gut gelungen ist ist das hier.

Bildkomposition beim Lost Places Fotografieren

Ich weiss nicht, ob jemand vor mit den Sessel und den Tisch schon mal passend zurecht gerückt hat (ich gehe stark davon aus), aber das Licht fällt wunderbar vom Fenster auf den Sessel. Der Blick wird durch das Licht und durch den offen positionierten Stuhl zu diesem geführt. Auch die beiden verstaubten Gläser implizieren, die Anwesenheit von zwei Wesen, eines davon ist der Betrachter und das andere? 😉

Hier zwei Beispiele: Links ist der Sessel aus dem Bild rausschauend positioniert und somit vom Betrachter abgewendet. Rechts hingegen ist der Sessel zum Betrachter gewendet.

Schlechte Komposition
Komposition bei Lost Places

Grundsätzlich würde ich empfehlen, das Motiv nicht zu überladen. Bei einigen Lost Places neigt man dazu, wenn beispielsweise in alten Abstellkammern alles vollgestellt ist. Ebenfalls ist das Bild schnell überladen, wenn zum Beispiel die Wand durch den Verfall schon eine starke Struktur besitzt, sodass das Motiv davor untergeht. In dem Fall, lieber weiter gehen und schauen, was sich im nächsten Raum verbirgt.

Bearbeitung

Nach dem Lost Places Fotografieren steht die Bearbeitung der entstandenen Fotos an: Struktur und Klarheit erhöhen, Dynamik verringern, Kontrastwerte erhöhen, Sättigung der warmen Farben verringert , starke, dunkle Vignette darüberlegen – et voila, ein perfektes (für meinen Geschmack sehr übersteuertes) Lost Places Foto wie sie in vielen online Medien zu finden.

Schlechtes Beispiel - Bearbeitung von Lost Places Fotos

Ich hoffe, man merk meinen Sarkasmus. Auch wenn die eben beschriebenen Einstellungen grundsätzlich auf die meisten Lost Places Fotos angewendet werden und auch sinnvoll sind, werden besonders die Struktur- und Klarheitsregler oft soweit hochgedreht, dass das Auge des Betrachters vor lauter Struktur das Motiv nicht mehr sieht. Im Zweifel ruiniert das die schönste Komposition und Blickführung. Mit ein bisschen Feinfühligkeit (und an dieser Stelle ist Kreativität, die subjektive Bearbeitung und der Geschmack gefragt) kann das aber verhindert werden.

Das Foto oben sieht von der Struktur aus erstmal sehr interessant aus, ist jedoch dadurch ebenfalls sehr überladen. Eine gezielte Blickführung und Komposition ist mit soviel Struktur meiner Meinung nach nicht mehr sinnvoll umsetzbar. Hier sorgen vor allem die roten Elemente für den Blickfang, da sie sich durch die Farbe noch am ehesten vom restlichen Bild abgrenzen. Diese Blickführung ist allerdings relativ sinnlos. Bei zu viel Struktur leidet auch die Räumlichkeit des Fotos darunter und alles wirkt ziemlich zweidimensional. Auch wenn viele versuchen, durch übertriebene Settings zu polarisieren, was im Einzelfall auch funktioniert – in den meisten Fällen zerstören übertriebene Settings das Motiv und die Komposition. Auch die Lichter und Tiefen leiden unter so viel Kontrast, da diese sich bei Struktur und Klarheit auch mehr in ihre Extreme verschieben. Das ist auch bei meinem Foto oben der Fall, die Tiefen (unten blau) sind ausgebrannt.

Einstellungen beim Lost Places Fotografieren

Grundsätzlich sinnvolle Bearbeitungen

  • Weißabgleich
  • Profilkorrektur
  • Chromatische Aberration
  • Upright Einstellung (bei Räumen)

Einstellungen bei der Lost Places Bearbeitung

  • Gradationskurve
  • Tiefen/Lichter
  • Dynamik
  • Vignette
  • Struktur
  • Klarheit

Das sind aber nur grobe Richtwerte, natürlich kann man alle möglichen Bearbeitungsfunktionen benutzen. Die Liste oben bietet nur einen Übersicht darüber, welche Einstellungen bei Lost Places Bearbeitungen eine wichtigere Rolle spielen, als bei beispielsweise der Landschaftsfotografie.

Meine „richtige“ Bearbeitung des Bilds (unten) ist wesentlich weniger strukturgeprägt. Heute würde ich ggf. ein wenig mehr Struktur reinbringen, allerdings immer so, dass es für meinen Geschmack nicht überladen wirkt.

lost places vor Ort fotografieren

Hat dir meine Anleitung beim Lost Places Fotografieren weitergeholfen? Was hast du für Erfahrungen, Tipps und Tricks? Schreib mir gerne einen Kommentar oder eine eMail, ich freue mich über jeden Austausch! 🙂 Falls du noch ein paar Inspirationen brauchst, kann ich dir die Fototour in der Kent School empfehlen.

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